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Schweden/Norwegen: Ein eisiges Vergn�gen |
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Autor: Martl Jung,
Fotos: Martl Jung
An der Tour haben teilgenommen: Martl Jung und Kerstin Wägner
Diese Reise wurde im Dezember 1997 durchgeführt. |
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Schweden/Norwegen:
Ein eisiges Vergnügen
Gehören
Sie auch zu den >verweichlichten< Radlern, die ihre Touren
am liebsten bei milden Temperaturen absolvieren? Dann müssen
Sie jetzt den Thermostaten höherstellen: nur bei wohliger Wärme
läßt sich der Bericht einer Reise von Nordschweden auf
die nordnorwegischen Lofoten so richtig genießen.
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Traumhaft schön ist die Landschaft, die in tiefes Weiß
gehüllt, an uns vorbei zieht. |
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Wir
sind in voller Aufregung, können es kaum erwarten, hinausgelassen
zu werden in die eisige Kälte. Am gutbeheizten Zugabteil haben
wir vor ein paar Stunden ein Schild vorbeiziehen sehen, das den
Polarkreis markiert. Inzwischen haben wir die Baumgrenze auf einer
Höhe von 500 Metern erreicht und können so endlich einen
Überblick über das nordschwedische
Hochland gewinnen. Es ist Ende Februar, und wir haben nach ersten
Anzeichen von Frühling in der Heimat die Flucht nach Norden
angetreten. Nach 44-stündiger Zugfahrt montieren wir in Kiruna
unsere Bikes.
Nun heißt
es erst einmal alles verstauen, ehe der eisige Wind die wohlige
Wärme aus unseren Körpern vertreibt. Man scheint sich
gar nicht über uns zu wundern. So verlassen wir ohne Aufsehen
erregt zu haben Kiruna auf der einzigen nach Nordwesten führenden
Straße. Die Spike-Reifen greifen sehr gut auf dem festen Untergrund,
wir fühlen uns einfach riesig. Doch schon nach einigen Kurbelumdrehungen
kramen wir wärmendere Sachen aus den Radeltaschen. Besonders
empfindlich sind Gesicht, Füße und Hände. Laut Thermometer
sind es unter minus 20 Grad Celsius, denn dort endet der Meßbereich.
Die Sonne berührt
bereits früh, aber sehr langsam in flachem Winkel den Horizont.
Kaum merklich nimmt die Helligkeit in der langen Dämmerungsphase
ab. Wir fahren zirka 20 Kilometer bis zu einem großen Parkplatz
und beschließen, in einem offengelassenen Blockhaus die erste
Nacht zu verbringen. Unsere Schlafsäcke bestehen den ersten
Härtetest glänzend - wir schlafen nackt.
Die kleine,
isolierte Holzhütte haben wir nachts durch unsere Körper
auf immerhin minus 14 Grad aufgeheizt. Erst als die Sonne am Himmel
steht, entschließen wir uns, diese >wohlige
Wärme< zu verlassen. Also
hinaus in die mit minus 30 Grad merklich kältere Luft. Zwar
sind unsere Schuhe für solche Temperaturen ausgelegt, beim
Radfahren werden die Füße aber einfach weniger durchblutet
als beim Laufen. Das bekommen wir dann auch zu spüren. Die
einzige Chance besteht darin, immer wieder das Rad abzustellen und
sich warmzulaufen.
Ab und zu begegnet
uns ein Auto, oder ein Snowmobil kreuzt unseren Weg. Während
sich rechts die riesige Ebene des zugefrorenen Torneträsk ausbreitet,
begleiten uns linker Hand Bahngleise. Irgendwann vernehmen wir Zuggeräusche:
52 Waggons, gefüllt mit Eisenerz, fahren kaum schneller als
wir in die Richtung, die wir anpeilen: Narvik in Norwegen.
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Vermummungsgebot:
bei den tiefen Temperaturen und dem eisigen Fahrtwind muß sich
der Fahrradfahrer in diesen Gefilden schon sehr warm einpacken.
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Abisko
bietet seit Kiruna den ersten Versorgungspunkt. Bis dahin sind die
kleinen Siedlungen im Winter nicht bewohnt, obwohl die Hauseingänge
beleuchtet und oft nicht verschlossen sind. Die Schlafplatzsuche
gestaltet sich schwierig, findet man doch nur knietiefen Pulverschnee,
der sich bei diesen Temperaturen auch nicht komprimieren läßt.
Die von Motorschlitten verdichtete, parallel zur Straße verlaufende
Piste bietet die einzige Möglichkeit, eine kleine ebene Fläche
zu erhalten. Nichts wie hinein ins Zelt, dem eisig kalten Schlafsack
wärme geben, bevor die Kälte in unseren Füßen
hochsteigt. Und hoffen, daß der Sturm die tief in den Pulverschnee
eingegrabenen Schneeanker nicht herausreißt. Noch ein paar
tiefgefrorene Orangen scheibchenweise als Abendessen und wir sind
im Tiefschlaf. Dagegen kann auch der Sturm draußen nichts
mehr machen.
Der Fallwind,
der uns über das Küstengebirge hinweg entgegenschlägt,
ist am nächsten Morgen noch stärker geworden. Die Straße
ist immer wieder verweht, Autos sind eine Seltenheit. Um so mehr
wundern wir uns über das rege Treiben an der Grenzstation in
Rieksgränsen: Hotel, Restaurants und eine Menge Skifahrer,
die sich von der Kälte nicht abschrecken lassen.
Auch wir lassen
uns nicht abschrecken, ganz im Gegensatz zu den Grenzbeamten, die
sich wohl am Kamin wärmen, während über uns ein Schneesturm
hereinbricht. Wir können uns kaum auf den Rädern halten,
müssen immer wieder absteigen, die Windböen abwarten.
Ein Schneepflug fährt nonstop über den Paß hin und
her. Die Straße ist weiß, genauso weiß, wie die
meterhohen Schneewände auf beiden Seiten. Alle zehn Meter steckt
eine Markierungslatte im Schnee, doch die Sicht reicht oft nicht
bis zur nächsten. Man hat das Gefühl zu schweben. Alles
ist weiß, nichts, auch nicht die Fahrbahn hebt sich irgendwie
ab. Haben wir eine Markierungslatte erreicht, versuchen wir, für
wenige Meter die Richtung zu halten, die heftigen Windböen
auszugleichen, im Schrittempo gegen den Sturm anzukämpfen,
um dann doch wieder zwei Schritte weiter unverständlicherweise
links oder rechts mit dem Vorderrad im Schnee zu stecken.
Endlich wird
der Sturm schwächer, wir kommen besser vorwärts. Plötzlich
bemerken wir zwei sich nähernde Jeeps. Unerwartet bremsen sie,
zwei Männer springen heraus und zücken Kamera und Fotoapparat.
So schnell wie sie auftauchten, sind sie wieder weg. An den Nummernschildern
erkennen wir Franzosen. Ihr Hupkonzert bleibt uns noch eine Weile
in den Ohren, bringt Auftrieb. Irgendwann hört der Schneesturm
ganz auf und gibt den Blick auf den ersten Fjord frei. Dieses gewaltige
Blau tut unseren Augen wunderbar gut.
Narvik lassen
wir hinter uns und radeln in einem imposanten Sonnenuntergang hinein.
Richtung Bjerkvik. Wir träumen von heißem Kaffee, doch
einige Höhenmeter mit guter Steigung tun es ja auch zum Warmwerden
- da sind wir ganz flexibel. Die Sonne verwöhnt uns und verzaubert
die Landschaft. Wir fahren an mehreren Seen entlang, umsäumt
von schneeweißen, über 1.000 Meter hohen Bergen.
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Die
Inseln And�ya und Rolla versetzen uns in Grönlandstimmung,
allein die alten Fischerhütten und bunt gestrichenen Wohnhäuser
sind es wert, öfters einen Blick über den Lenker zu tun.
Der erste >Taschenwärmer<
wechselt am Zeltplatz kurz vor der Tjeldsund-Brücke für
den heißersehnten Kaffee seinen Besitzer. Eine seit Monaten
hier lebende kroatische Familie, die diesen Campingplatz betreibt,
meint: >Hier ist es gar nicht so übel,
die Fische sind sehr groß und leicht zu fangen, doch der Alkohol
ist teuer.<
Die Straße
83 ist uns zu verkehrsreich. Wir weichen auf Nebenstraßen
aus und erreichen mit Einbruch der Dunkelheit Harstad. Beinahe Großstadtatmosphäre
herrscht hier. In einer traumhaften Bucht finden wir einen Campingplatz.
Blockhütten werden an Arbeiter und Studenten vermietet. Die
beheizte Küche für Gäste mit Zelt haben wir natürlich
für uns. Endlich, nach fünf Tagen, können wir uns
duschen. Doch die Annehmlichkeiten hören nicht auf. Wir kochen
uns eine Suppe, Spaghetti und Tee. Nach diesem ausgiebigen Menü
kriechen wir todmüde in unsere Schlafsäcke. Im Halbschlaf
glauben wir, Geräusche um unser Zelt zu hören. Wir spielen
kurze Zeit mit dem Gedanken, daß das ein Elch sein könnte,
der nach Essensresten sucht (schließlich wurden wir ja gewarnt),
doch wir schlafen ein. Nur die riesigen Hufabdrucke im Schnee zeugen
am Morgen noch vom nächtlichen Besuch.
Auf der Suche
nach der Touristeninformation werden wir von einem deutschen Studenten
mit seiner kleinen Tochter angesprochen. Seine Freundin und er absolvieren
in einem Krankenhaus ihr Praktikum. Wir bekommen nützliche
Tips, z.B. wo man sehr gut frühstücken kann.
Es geht weiter
über Kv�fjord in Richtung Revsnes, wo die erste Fähre
dieser Reise auf uns wartet. Das muß sie wohl auch noch eine
Weile, denn wir kämpfen uns Stück für Stück
durch Schneewehen. Ein heftiger Gegenwind läßt uns außerdem
kaum vorankommen. Tief über den Lenker gebeugt sehnen wir die
Ankunft bei der Fährstation herbei.
Obwohl die
Fähre in einigen Minuten ankommen müßte, sind nirgends
Passagiere zu entdecken. In diesem Moment hören wir ein Räumfahrzeug.
Unglaublich - kurz dahinter eine Autoschlange. Alle nutzen die Gunst
der Stunde, ehe die Straße wieder zugeweht ist. Die Straßenräumdienste
und Fähren sind zuverlässig pünktlich, was sich immer
wieder bestätigen sollte.
Die Überfahrt
nach Flesnes ist nur kurz, die andere Seite des Gullesfjorden begrüßt
uns mit ebenso grauem Himmel aber weniger Wind. Wir bleiben auf
der Straße 850, fahren den immer enger werdenden Fjord entlang
in Richtung Sortland. In Sigerfjord wechseln wir mit den Augen ständig
die Straßenseite. Ein hübsches Dorf, daß sich an
der Straße entlangzieht.
�ber eine Br�cke
erreichen wir Sortland mit seinen 4000 Einwohnern. Es ist mit seinem
st�dtischen Charakter das eigentliche Verwaltungs-, Verkehrs- und
Dienstleistungszentrum der Vester�len, der n�rdlich der Lofoten
gelegenen Inselgruppe. Entlang des Hafens reiht sich Fischfabrik
an Fischfabrik. Wir decken uns noch mit Proviant ein, ehe wir uns
auf die Suche nach dem Campingplatz machen. >You
are the first cyclists this year!< begr��t
uns der Besitzer.
Wir wechseln
ins Innere der Insel Lang�ya, um auf der kaum befahrenen kleinen
Stra�e �ber Eidsfjord weiter Richtung S�den zu fahren. Die m�chtigen
Berge auf der Westseite des Eidsfjorden locken. Au�erdem reizt uns
dieser schmale K�stenstreifen, weil nur noch sehr wenige Menschen
hier siedeln. Das �ber Stunden einzige Fahrzeug ist ein Postauto.
Gerade als uns der Postbote �berholen will, bleibt er in einer Schneewehe
stecken, doch mit vereinten Kr�ften kann es bald weitergehen.
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Bedrohlich
dunkel r�ckt die n�chste Wolkenfront heran. Wir versuchen noch,
die 1.020 Meter lange Hadselbru zu �berqueren. In hohem Bogen �berspannt
diese imposante Br�cke den Lang�ysund. Doch noch vor dem h�chsten
Punkt erwischt uns ein Schauer mit dicken, nassen Schneeflocken.
Wir sehen die Hand kaum vor Augen. Unendlich lang kommt uns dieser
eine Kilometer �ber dem Meer vor. Jedesmal verrei�t es uns den Lenker,
wenn wir aus dem Windschatten eines vorbeifahrenden Autos wieder
in den Sturm entlassen werden.
Wir radeln
lange Zeit schon in der Dunkelheit, finden aber keinen geeigneten
Platz f�r unser Zelt. Die Berge, die ab und an vom d�steren Mondlicht
angestrahlt werden, erscheinen unwirklich, und die Brandung klingt
bedrohlich. Schlie�lich lassen wir uns zwischen Str�uchern und Felsen
in einer windgesch�tzten Mulde im tiefen Schnee nieder. Der Sturm
zerrt nicht nur am Zelt, sondern auch an den Nerven.
Die �berraschung
am Morgen ist perfekt: Eisregen! Wir haben die Wahl: entweder das
Rad auf der Stra�e schieben und nebenan im verharschten Schnee laufen
- oder doch versuchen zu fahren. Zu Fu� hat man auf der Stra�e jedenfalls
keine Chance. Auch unsere Spike-Reifen, mit denen wir auf vereisten
Alpenp�ssen keine Probleme hatten, sind hier auf ebener Strecke
�berfordert. Der Sturm schiebt uns quer �ber die Stra�e.
Endlich erreichen
wir Melbu, wo gerade die F�hre ablegen will. Wir nutzen die �berfahrt
und st�rken uns. Zum Fr�hst�ck probieren wir Pfannkuchen, gef�llt
mit s��em Karamel-Ziegenk�se und sind um eine Erfahrung reicher.
Geschmackssache, kann man da nur sagen. Mit gro�em Erwarten fahren
wir in Fiskeb�l von Bord - wir haben Austvag�y, die erste der f�nf
Lofoteninseln, unter den R�dern.
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Letzte Aktualisierung: 30.03.01
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