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    R e i s e b e r i c h t-S e i t e  8
 
 
 
M e n u e
 
 
 
   
 
   
�ber alle Berge - Eine Bolivianische Zeitreise
 
 
 
 
 
 
Ohne den Einsatz der Machete gibt es praktisch kein Durchkommen mehr.
 
 
  Braulio steckt im Dickicht, durch das wir uns den ganzen Tag durchwinden.
 
 
 
  In zwei Stunden wird es dunkel und wir wissen nicht mehr genau, wo wir sind. Das ist im Monte normal, alles sieht gleich aus. Jegliches Gefühl für Raum und Zeit geht in dem grünen Dämmerlicht verloren, in diesem Kosmos gibt es kein links oder rechts, gerade noch ein eingeschränktes oben und unten. Alles um uns herum ist feucht, doch wir leiden Durst, da es nirgends Trinkwasser gibt. Der Wald ist zum Verdursten trocken - eine verdammte Wüste. Es wird bald dunkel sein, nirgends findet sich ein auch nur annähernd ebener Platz, um die Zelte aufzustellen. Eine Stunde später stecken wir immer noch im Gestrüpp, die Macheten klingen und ab und zu flucht jemand, weil er sich endlich ein Ende der Strapazen herbeisehnt. Hatten wir nicht heute morgen noch eine herrliche Rundumsicht oben in Guinapi? Es kommt mir so vor, als wäre das schon so lange her - ist es überhaupt wahr gewesen, oder bilde ich mir das alles nur ein? Fünf Minuten bevor es endgültig finster wird, stößt Paolino einen Freudenschrei aus: Der Wald hat uns ausgespuckt! Auf der Lichtung ist viel Platz für unsere Zelte und Paolino, der vor langer Zeit hier gewohnt hat, weiß, wo es Wasser und saftige Aricumas gibt, rübenförmige Wurzeln, die ähnlich wie Topinambur schmecken. Als ich in Gesellschaft der Kameraden den ersten warmen Cocatee trinke, komme ich mir vor, als wäre ich unendlich reich.
 
 
 
 
Sonnenstrahlen dringen spärlich durch das dichte Blätterdach des Waldes.
 
 
  Morgens um sechs Uhr wecke ich die Anderen. Die Luft ist lau wie weiche Seide und ein betörender Waldduft liegt in der Luft, eine eigenartige Mischung aus Moder und Blütengerüchen - man wird ganz betrunken davon. Zum Frühstück braten wir uns Pfannkuchen über einem lustig züngelnden Feuer. Dann setzen wir uns in Bewegung. Am Ende der Lichtung geht es durch steilen Wald abwärts. Die Hitze schlägt auf uns ein wie eine Faust, wir sind schweißnaß. Bei uns auf der Erde ist es dämmrig am hellichten Tag, wie ein Vorhang fängt die himmelwärts strebende Vegetation einen großen Teil des Lichts auf, um auf jedem Quadratzentimeter Platz neues Leben zu produzieren. In diesem nie endenden, erbarmungslosen Kampf ringen die Pflanzen stumm, verbissen und mit allen möglichen Tricks gegeneinander. Es gibt keinen Ort, wo es deutlicher wird als im Uwald, daß Leben und Tod Zwillingsbrüder sind. Am Nachmittag überqueren wir den tosenden Rio Chajolpaya und messern uns einen leidlich ebenen Zeltplatz frei. Danach schwärmen wir aus, um zu fischen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: vier Kilogramm Fisch, eine willkommene Ergänzung unseres Speisezettels.
 
  Endlich im >Nichts< angekommen, schlagen wir unser Zelt am Rand des Flusses Chajolpaya auf.
 
 
 
 
 
 
Der Autor beim Angeln.
 
 
  Fette Beute: der Fang einer halben Stunde.
 
 
 
  In der Nacht beginnen wir mit dem Frühstück: Kartoffeln und Fisch. Während wir essen wird es ein klein wenig heller. Die kühle Dämmerung ausnützend schlagen wir ohne lästiges Gepäck einen Weg frei. Zur Begrüßung der Sonne hebt ein betörendes Orchester an, ein Loblied auf die potentielle Präsenz des Lebens, gesungen von den Kreaturen des Waldes. Für die Dauer des Orchesters herrscht Waffenstillstand, keiner übertritt das Gesetz, es ist in die Herzen der Waldbewohner eingebrannt mit flammender Schrift und alle leben dem Gesetz nach. Hier gibt es keine Gerichtsbarkeit - weil es kein Verbrechen gibt. Sobald die Sonne ihre ersten Strahlen zur Erde schickt verstummt das Lebenslied der unsichtbaren Kreaturen - die Raubtiere dürfen wieder Beute machen.
 
 
 
 
>Guten Appetit<
 
 
  Teile unserer Kleidung hängen bereits in Fetzen an unseren Körpern und sind völlig verdreckt, was an diesen, ursprünglich einmal weißen Hosen, zu erkennen ist.
 
 
 
  Andächtig haben wir Menschenkinder die Macheten weggelegt, eine Weile innegehalten und der Begrüßung des Morgens gelauscht. Niemand sagt etwas in solchen Momenten - es ist auch nicht nötig. Der Wald pflanzt einen verwunschenen Zauber in das Menschenherz, dessen Saat ganz langsam aufgeht. Man betritt den Wald durch ein unsichtbares Tor und kommt irgendwann wieder heraus. Dann ist die äußere Welt nicht mehr dieselbe - weil du nicht mehr derselbe bist. Juan-Carlos ist im Lager geblieben und bringt uns ein fertiges Mittagessen, unsere Fährte war leicht zu finden: Wir hinterlassen einen Graben, der sich wie eine tiefe Wunde durch den Monte zieht. Schon seit dem Vormittag kündigt sich Regen an, Mücken sägen geräuschvoll an der stillen Luft herum. Die nahen Bäume sind mit grauem Dunst verhangen, weiter weg verlieren sie sich in den Eingeweiden der Wolken. Plötzlich platzt der ganze Himmel auf, bekommt einen gigantisches Riß von Pol zu Pol. Wasser tost brausend herab und überschwemmt die Erde, alles fließt. Der Regen strömt herab wie eine Glasscheibe, zerstiebt beim Aufprall in Scherben und Splitter, trommelt mit 20 Fäusten auf meine Schultern. Innerhalb von Sekunden bin ich so naß, als wäre ich durch einen Fluß geschwommen. Was vorher Rinnsal war, ist jetzt reißender Strom. Eilig kehren wir auf unserer Spur zum Lager zurück, um nicht durch neu entstehende Flüsse von ihm abgeschnitten zu werden. Zurück bei den Zelten machen wir uns unter einer überhängenden Felswand ein Feuer und trocknen unsere Habseligkeiten, Paolino brennt sich dabei ein Loch in die Hose. Wir sehen furchtbar abgerissen aus.
 
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Letzte Aktualisierung: 18.01.06
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