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M
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�ber alle Berge - Eine Bolivianische Zeitreise |
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Pedro
geht es zwischenzeitlich nicht mehr besonders gut. Dafür bessert
sich das Wetter langsam.
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Pedro
bekommt starkes Nasenbluten - die große Anstrengung in der beträchtlichen
Höhe. Er sagt kein Wort, lehnt nur an einem Felsen und läßt
das Blut von seiner Nase auf den Boden rinnen. Während die Nacht
langsam ihre Schatten auf die Erde senkt. Ich lasse ihn in Frieden,
kein Aymara liebt es, wenn man ihn bemitleidet, ich weiß, was
diese Leute reden - auch wenn sie nichts sagen. Bei Einbruch der Nacht
legen wir uns schlafen. Im Einmannzelt ist es zu zweit zwar eng, doch
geringes Gewicht und schnelle Erwärmung durch das kleine Raumvolumen
wiegen diesen Nachteil auf. Pedros Nasenbluten hat zum Glück
ganz aufgehört. |
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Das Tiefland
des Amazonas Beckens verschwindet weit unter uns im Nebelmeer. Schlagartig
hat es zu schneien aufgehört und das Wetter auf 5.000 Metern
Höhe, auf denen wir uns befinden, bessert sich deutlich. Es wird
eine kalte Nacht werden. |
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Um
drei Uhr früh beginnen wir mit der Zubereitung des Frühstücks,
packen fröstelnd zusammen, schnallen die Steigeisen an und gehen
zum Gletscher hinauf, der gleich hinterm Lager beginnt. Wir sind jetzt
froh, uns in Bewegung setzen zu können, es mag wohl minus 25
Grad Celsius kalt sein. Heute spüre ich den schweren Rucksack,
wir schleppen ja die gesamt Berg- und Zeltausrüstung mit und
bewegen uns nun schon seit Tagen in großer Höhe. Fahl und
gespenstisch glänzt der Gletscher im Irrlicht des kranken Mondes,
der nur als dünne Sichel am sternenübersäten Himmel
hängt. Der Äquatorhimmel ist eine Pracht, nirgends leuchten
die Sterne heller und klarer. Die Steigeisen knirschen monoton im
Schnee, während ich einen Fuß vor den anderen setze. Pedro
folgt am gestreckten Seil 20 Meter hinter mir, wenn ich nach vorne
schaue, kommt es mir so vor, als wäre ich alleine, zurückblickend
sehe ich das flackernde Zyklopenauge von Pedro’s Stirnlampe
- so weit weg wie die Sterne. Und doch: Das Seil schweißt Pedro
und mich zu einer Einheit zusammen; wie Wurzel, Stamm und Baum. |
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Überquerung
des Illampugletschers. Links im Bild ist der 6.427
Meter hohe Ancohuma, in der Mitte der 6.368 Meter hohe Illiampu
und ganz rechts der 6.040 Meter hohe Pico Norte zu sehen. Hier läßt
sich gut erkennen, auf welcher Höhe wir uns bereits befinden.
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Zuerst
zeigt sich eine Ahnung von Licht, dann erwacht langsam der Tag. Ein
glühendes Morgenrot überzieht den Himmel, plötzlich
schiebt sich die Sonne glutrot über den Horizont. Die ersten
warmen Strahlen trinken wir mit geschlossenen Augen wie plötzlich
erdröhnende Musik. Doch kein Laut regt sich und kein Vogel jubiliert
dem geschenkten neuen Tag entgegen. Nur der Wind streicht um Wände
und Grate. Der obere Rand des kalten Schneelandes ist so unfruchtbar
wie das Trugbild unvergänglichen Ruhmes. Durch die sich vor uns
aufsteilende, felsige Gipfelwand steigen wir am Seil gesichert zum
flachen Gipfeleisfeld hoch, wo hüfttiefer Schnee liegt. Pedro
sichert mich um einen Felszacken und ich wühle mich schnaufend
durch den lawinösen Hang. Dann bin ich oben. Nach den Zweifeln
der vergangenen Tage erfüllt mich eine Form des Rausches, für
den der Mensch das Wort >Freiheit< erfunden hat. Ich gehe ein
paar Schritte zur Seite, um den zweifelhaften Schnee zu testen, plötzlich
ein dumpfes Knacken unter meinen Füßen, die Schneedecke
gibt nach, erschreckt springe ich zur Seite und rufe >Aufpassen!<.
Mein Herz schlägt wie eine Trommel. Es geschieht nichts, der
zusammengesackte Gipfelhang ist zu flach, um als Lawine abzugehen.
Ich hole Pedro nach, er ist ein bißchen bleich um die Nasenspitze,
das Knacken der Schneedecke hat auch er deutlich gehört. |
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Abstieg von
der 5.600 Meter hoch gelegenen Passhöhe eines namenlosen Passes
auf dem Scheitelpunkt der nördlichen Königskordillere. |
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Der
Passübergang, den wir bisher lediglich andeutungsweise aus alten
Aymarasagen kannten, er existiert wirklich. Die Aussicht ist gigantisch,
rundum eisbedeckte Andenriesen. Wir umarmen uns in einer Höhe
von etwa 5.600 Metern, direkt auf dem Scheitelpunkt der längsten
und höchsten Andenkordillere Boliviens. Da wir nicht wissen,
ob das schöne Wetter lange hält, brechen wir bald auf, steigen
wegen der unsicheren Schneelage an Firnankern gesichert den dem Abstieg
entgegengesetzten Hang ab, hinunter zum riesigen Illampu-Gletscher.
Wenn uns hier oben, fernab der Zivilisation und weit weg von den gängigen
Routen der Bergsteiger, irgendetwas passiert, dann sind wir verloren,
dieses Bewußtsein läßt keinen Leichtsinn aufkommen.
Wie Raubtiere blicken die Sechstausender-Giganten Ancohuma und Illampu
auf uns herab - was für eine Traumwelt, grausam und schön.
Nachdem der Gletscher mit seinen knackenden Eisbrüchen hinter
uns liegt, ist der Weg immer noch weit, wir sehen weder Anfang noch
Ende. Eine Reise und kein Ziel. |
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Pedro,
durch Seil gesichert, auf dem Illiampu Gletscher. Die Sicherung ist
notwendig, da hier zahlreiche trügerische Gletscherspalten lauern.
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Rast
auf einer Felsinsel des Illiampu Gletschers.
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Kurze Pause
vor einem Gletscherbruch. |
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Der
bärenstarke Pedro ist mit dem steigeisenfesten Lowa-Schuh hochzufrieden,
doch auch er braucht jetzt öfter eine Pause. Wie viele Tage,
Wochen, Monate ist es schon her, daß ich von Sorata losgelaufen
bin? Ich blicke in diese Unendlichkeit aus Stein und Eis, plötzlich
wird die Zeit durchsichtig. Während Stunden, Tage und Jahre wie
Zwiebelhäutchen von mir abfallen, tun sich neue Räume auf,
in denen die Zeit als Dimension einfach vergeht. Nach langem auf und
ab erreichen wir todmüde, aber zu guter Stunde, den Lago Negro.
Am Klettergurt baumeln noch die Firnanker, so wie ich bin lege ich
mich auf den Boden und schlafe eine Stunde, oder drei. Als ich wieder
erwache bereiten wir uns ein karges Abendessen von dem wenigen Proviant,
der noch übrig ist. Es war ein guter Tag, wir sind zufrieden. |
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Pedro
beim Abstieg. Langsam gehen ihm die Kräfte aus.
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Letzte Aktualisierung: 18.01.06
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