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Reportage: Borneo - Die Nomaden des Dschungels |
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Ohne
Mittagsrast ermüden uns die Stunden, die Berge ziehen sich hin und
die Wege sind zwar nicht schlecht, aber steil und rutschig. Unsere
Fragen nach dem >Kampong<
werden so häufig wie der Griff zur Trinkflasche. Langsam wird uns
klar, dass es auch an diesem Tag zweifelhaft bleibt, die Familie
zu erreichen. Unsere Guides deuten auf ein Tal, von dem uns noch
einmal eine Bergkette trennt. Verzweiflung macht sich breit, wollten
wir doch wenigstens zwei volle Tage bei dieser Familie verbringen.
Uns bleibt nichts anderes übrig, als durchzuhalten. Aber der Weg
ist das Ziel und mit offenen Augen können wir die wunderschöne Bergwelt
am Fuße des Gunung Mulu entdecken. Rhinozerus Hornbills und Schwarze
Hornbills ziehen über uns ihre Kreise. Sie sind leicht in den Baumkronen
auszumachen, da ihnen bestimmte Schwanzfedern fehlen, die einen
leisen Flug erst möglich machen. Aufgeregt antworten die Pigeons
auf dir Rufe unserer Führer. Hin und wieder sehen wir Spechte, die
unseren Spechten ähnlich sind, nur größer und bunter. Am Weg stehen
Pilze in abenteuerlichen Farben und Formen. Die grüne >Hölle<
mit ihren Lianen und tropischen Bäumen hat unsere Sinne gefangen.
Wir begreifen den Unterschied zwischen dem Dschungeldickicht außerhalb
der Nationalparks und dem für Flora und Fauna wertvollem Primärwald,
in dem wir uns befinden.
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Der Wald lebt:
so grosse Weggefährten wie dieser Tausendfüssler erinnern
eher an eine Schlange als an einen Arthropoden. |
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Plötzlich
steht Ipa vor uns, der Martin im Jahr zuvor durch den Wald geführt
hatte. Es gibt ein freudiges Wiedersehen. Der Penan Ipa und sein
Freund sind seid Tagen unterwegs, um Wildschweine oder wenigstens
einen kleinen Gibbon zu jagen. Auch wenn sie für uns völlig unvorbereitet
auftauchen, hatten sie schon lange an den Spuren im Wald gelesen,
dass wir unterwegs sind. Einige Bäche sind zu durchqueren, davon
werden zwar die Schuhe nass, aber wir haben jederzeit frisches Quellwasser.
An den Wasserfällen rasten wir. Das kühle Wasser gibt unseren Körpern
die nötige Frische zurück, um das letzte Stück hinter uns zu bringen.
Wieder ein Aufstieg, Querung am Grat und dann führt der Weg ins
Tal. In >unser<
Tal. Empress-Zikaden kündigen mit ihrem schrillen Ruf die Nacht
an, wir nennen sie Heimgeh Zikaden oder Kreissägen Zikaden. Der
zweite Tag scheint vorüber.
Auf einmal
weckt uns Hundegebell aus unserer Lethargie. Wir hatten schon frische
Spuren gesehen, aber es nicht glauben können. Ein Penanmann, bekleidet
mit dem Lederschurz läuft uns entgegen. Kindergeschrei ist zu hören,
die räudigen Hunde sind kaum zur Ruhe zu bringen. Der Urwald öffnet
sich und vor uns stehen die kleinen Pfahlbauten. Ganz der Natur
und ihren Rohstoffen angepasst bilden junge Stämme Boden, Stützen
und Wände, nur das Dach ist mit Planen gedeckt. Die Häuser bestehen
aus einem Raum, Privatsphäre gibt es keine. Eine Feuerstelle in
zwei Metern Höhe strahlt die nötige Wärme aus, vermittelt Geborgenheit
im harten Alltag der Jäger und Sammler.
Der Empfang
ist herzlich. Wir haben viel Glück, Martin kennt die Familie bereits
von früheren Reisen. Dankbar trinken wir das heiße Wasser und hängen
unsere nasse Kleidung zum Trocknen auf. Wir sehen uns in der Hütte
um. Auf dem Boden liegen ein paar Rattanmatten, geflochtene Rucksäcke,
Lederreste. Aus dem Dunkeln sehen wir die Gesichter von zwei jugendlichen
Töchtern, einem kleinen Sohn und der Mutter. Nachdem wir mit zwei
weiteren Söhnen gekommen sind und Martin noch deren älteren Bruder
Ipa kennt, schließen wir, dass die Mutter mindestens sechs Kindern
im Wald das Leben geschenkt hat.
Inzwischen
dampft es in der >Küche<,
einer erhöhten Feuerstelle mit wenigen Töpfen. Stolz wird das Lieblingsessen
der Penan serviert, >Nao<.
Dafür wird >Apo<
(Sago) [7] aus dem Herz
der Sagopalme (Luwut-Palme) gewonnen. Der lange Stamm der Palme
wird abgeschlagen und gespalten. Innen befindet sich das Herz, dass
man roh und gekocht essen kann oder als Vorrat pulverisiert. Das
Fruchtfleisch schmeckt süß und enthält sehr viel Wasser, dementsprechend
aufwendig ist es, Stärke daraus zu gewinnen. Frauen stampfen, sieben
und trocknen den Brei, bis feine, weiße Pulver übrig bleibt. Sago
ist reine Stärke, für >Nao<
wird sie nur mit Wasser aufgekocht. Das fertige Gericht erinnert
einen Europäer unweigerlich an Tapetenkleister. Die Penan lieben
Sago. Wären die Penan eine Nation, wäre >Nao<
unweigerlich ihr Nationalgericht. Wir lächeln und würgen. Sago wird
traditionell mit einem gespaltenem Hölzchen gegessen, das nach Gebrauch
wieder in die Wand gesteckt wird. Dabei wird der Sagobrei vorsichtig
gezogen und gedreht, bis ein Klumpen entsteht. Als Beilage essen
wir getrocknetes Wildschwein, weil Gäste zu Besuch sind, gibt es
ein Schälchen Sojasauce.
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Diese
Penanfamilie wohnt auf zirka fünfzehn Quadratmetern quer gelegten
Ästen. Das Haus steht auf Stelzen, Wände und Decke sind
teilweise palmgedeckt. Das Küchenfeuer wird auf einer Unterlage
aus Erde im Haus entzündet (rechts). In der Wand stecken Äste
als Zangen und Kochlöffel.
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Trotz
unseren unterschiedlichen Geschmäckern freuen sich unsere Freunde
sehr über die Gastgeschenke in Form von Salz, Zucker, Reis und Nudeln.
Martin hat Bilder aus Deutschland dabei und das Staunen findet an
diesem Abend kein Ende. Unsere Stadt ist so anders, so unvorstellbar,
viele Bilder werden auf dem Kopf stehend bewundert. Ohne Worte erzählen
wir uns Geschichten, hoffen, dass das Gegenüber unsere Dankbarkeit
versteht. Lachen überwindet alle Sprachschwierigkeiten. Als wir
dann auch noch einen aufblasbaren Erdball dabei haben, der unser
>Kampong< zeigt,
ist die Verwirrung perfekt. Der Penanvater nimmt ihn entgegen wie
eine Trophäe.
Als die Hunde
endlich die Aufregung verdaut haben und auch wir uns nur noch nach
ein paar ruhigen Stunden sehnen, breiten wir unsere Matten aus und
schlafen glücklich neben dem Feuer ein. In dieser Nacht schlafen
wir tief, nie haben wir so weich auf Holzstämmen gelegen. Bald werden
die Nomaden wieder weiterziehen müssen, denn die Sagopalmen sind
abgeerntet und die Wildschweine verschreckt. Auch wir müssen am
nächsten morgen wieder unsere Rucksäcke schnüren, um den anstrengenden
Weg zurück anzutreten. Es war ein Treffen unter Freunden. Diese
Menschen sind noch nicht Opfer eines Zoo-Tourismus geworden. Nur
zwei bis drei mal jährlich verirren sich Fremde in diese Gegend.
So können sie sich langsam mit der immer näher rückenden >Zivilisation<
vertraut machen und im Reservat des Mulu Parks weitgehend ihrer
traditionellen Lebensweise nachgehen.
Doch der Wald
ist in Gefahr. Er schwindet in Borneo erschreckend schnell. Malaysian
Rainforest Logging: The destruction of so much, tragedy for so many,
profits for so few! (Abholzung des malayischen Regenwaldes: Die
Zerstörung so vielen Waldes, Die Tragödie so vieler Bewohner und
der Gewinn so Weniger!) So lauten die Spruchbänder internationaler
Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen.
Leider besteht
der Lebensraum der zirka sechs Millionen Ureinwohner, darunter 9000
zum größten Teil halbsesshafte Penan, nicht nur aus Nationalparks.
In vielen Fällen können die Menschen den Holzkonzernen nur friedlichen
Protest und Blockaden entgegensetzen. Sie müssen zusehen wie die
Flüsse braun werden und die Fische sterben. Sich die Schlinge der
Bulldozer und Kettensägen immer enger um ihr Dorf zieht. Deshalb
haben sich Privatpersonen wie der Schweizer Bruno
Manser und Organisationen wie die >Gesellschaft
für bedrohte Völker< entschlossen,
mit den Ureinwonern Borneos für eine lebenswerte Zukunft zu kämpfen.
Bilung aus
Long Bangan kann nicht in einem Nationalpark leben: >..Wo
ist unser gutes Leben von vorher? Unsere Sagopalmen und Pfeilgiftbäume
sind gebuldozert. Der Rattan im Verschwinden. In Frieden haben wir
Wildschwein und Languraffen gejagt. Doch nun. Schau Dir den Fluss
und das Land an! Als wir zuerst mit der Regierung Kontakt hatten,
wiesen sie uns an, am Fluss sesshaft zu werden: Dort könnt ihr ein
besseres Leben führen in einem Langhaus als im Dschungel. - Doch
was wir nun sehen, was ist das? Wir werden schlecht behandelt. Und
was wir auch sagen, niemand hört auf uns.<
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Holztransporter
auf einer Loggingroad. Mit großen Maschinen kämpfen Konzerne
wie Samling gegen die Natur. Zurück bleiben Plantagen oder artenarmes
Unterholz. |
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Bruno
Manser, der weiße Tarzan, gehört zu den Penan wie die Regierung
zu den Holzkonzernen. Der Schweizer bricht 1984 erstmals nach Ostmalaysia
auf, um diese Menschen kennenzulernen, die
noch im Wald leben sollen. Doch bald stören brummende Bulldozer
und Kettensägen den Frieden. Als die Bitten der Penan um Schutz
ihres Waldes auf taube Ohren stoßen, suchen Sippenmitglieder bei
ihm Rat und Bruno Manser entschließt sich, der Abholzung einen friedlichen
Kampf entgegen zu setzen.
Im Jahre 1987
werden die ersten Loggingroads [8]
blockiert, viele Penan und auch Bruno Manser landen in Gefängnissen.
Die Blockaden werden bis heute immer wieder aufgenommen, die Geschehnisse
interessieren die Presse. Gleichzeitig versucht Bruno Manser von
der Schweiz aus das Sterben publik zu machen, greift Japan als größten
Importeur an. Manser trägt wichtige Daten zusammen, die die Arbeit
anderer Umweltschützer möglich machen, er gründet den >Bruno
Manser Fond< BMF in Basel, der
die Menschen vor Ort unterstützt. Auch andere Organisationen setzen
sich in Borneo für die Natur- und Menschenrechte ein, sie fordern
ein Bann auf Tropenholzexporte und das Ende des Landraubs an der
indigenen Bevölkerung. Im Juli letzten Jahres reiste Manser erneut
illegal in Sarawak ein, um gegen die Abholzung und für die Rechte
der Penan zu demonstrieren. Seitdem ist er verschollen und wird
seit Februar über die schweizerische Botschaft gesucht. Auch Nachforschungen
der Penan haben bisher nichts ergeben. Ein Übergriff der Holzfällermaffia
wird deshalb nicht mehr ausgeschlossen.
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Der
Batu Lawi liegt im Zentrum des von der Regierung versprochenen Naturreservats
für die letzten nomadischen Penan. An dieser 200 Meter hohen
Kalkfelsnadel wurde Bruno Manser, der seit Juli 2000 verschollen ist,
zuletzt gesehen.
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[7] |
Das
Mark, >Apo<
wird aus der der Luwut-Palme gewonnen und dann zu Sago pulverisiert
und als Brei, >Nao<,
gegessen. Sago ist das aus dem Stamm der Sagopalme gewonnene
Mehl, das von den Penan gesammelt wird und den wesentlichen
Bestandteil ihrer Nahrung ausmacht. Das Sago der Penan
ist nicht identisch mit der früher in Deutschland verwendeten
Sago-Stärke aus einem Getreide. zurück |
[8] |
Loggingroads
sind die Pisten und Straßen, auf denen das im Wald geschlagene
Holz abtransportiert wird. zurück |
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Letzte Aktualisierung: 04.05.04
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